AG Böblingen: Bei Störerhaftung Abmahnkosten auf 100,00 EUR gedeckelt
Ein wichtiger Teilerfolg gegen überhöhte Abmahngebühren konnte vor dem Amtsgericht Böblingen erzielt werden. Das Gericht stufte mit Urteil vom 04.06.2014 (Aktenzeichen: 20 C 238/14) eine Verbraucherabmahnung wegen eines illegalen Downloads als „einfach gelagerten Fall“ ein. Da mangels Tatnachweis lediglich eine Störerhaftung eingriff, deckelte das Gericht die zu erstattenden Anwaltsgebühren auf 100,00 EUR gemäß § 97 a II UrhG.
Sachverhalt: Täterschaft konnte nicht eindeutig nachgewiesen werden
Die Klägerin, die die Rechte zum Vertrieb eines Formel 1-Computerspiels für das Verbreitungsgebiet Deutschland, Österreich, Schweiz besaß, mahnte den Beklagten wegen der illegalen Bereitstellung zum Download des Spiels ab. Das Spiel war in einem Peer-to-peer-Netzwerk zunächst heruntergeladen und parallel für andere User zum Download bereitgestellt worden. Der Beklagte stritt den Download ab, er sei zu den genannten Zeitpunkten nicht an seinem Computer gewesen und komme für die Verletzungshandlungen nicht in Betracht. Dies bestätigte auch die in der Verhandlung als Zeugin vernommene Ehefrau des Beklagten. Technisch nachgewiesen werden konnte hingegen, dass die Verletzungshandlung über den W-LAN-Anschluss des Beklagten vorgenommen wurde. Dieser Anschluss wurde zwar Passwort gesichert, jedoch nicht mit dem damals marktüblichen WLAN-Sicherungsstandart WEPA 2.
Rechtliche Würdigung: Lediglich geringe Rechtsverletzung liegt vor
Das Gericht stellte zunächst fest, dass ein Tatnachweis nicht geführt wurde. Neben dem Beklagten kamen weitere Täter (Ehefrau) sowie Dritte, die sich illegal Zugang zum Netzwerk verschaffen konnten, in Betracht. Das Gericht nahm hingegen eine Störerhaftung an. Der Beklagte sei zwar nicht verpflichtet, seine Netzwerksicherung fortlaufend auf dem neuesten Stand der Technik zu halten, jedoch müsse er zumindest im Kaufzeitpunkt die für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen einsetzen, wobei auf das Urteil, BGH NJW 2010, 2061 ff verwiesen wird. Der durch die Handlung Verletzte kann den Störer wie den Täter abmahnen und zur (zukünftigen) Unterlassung auffordern. Schadensersatzansprüche, z.B. nach Lizenzanalogie sind gegenüber dem Störer jedoch ausgeschlossen. Zu ersetzen ist der für die Abmahnung erforderliche Aufwand. Nach § 97 a II UrhG wird dieser Aufwand für einfach gelagerte Fälle bei geringen Rechtsverletzungen und erstmaliger Abmahnung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 100,00 EUR begrenzt. Diese Voraussetzungen sah das Gericht im konkreten Fall erfüllt.
Fazit / Auswirkungen: Argumentation der Abmahnanwälte widerlegt
Das Urteil ist aus zwei Gründen bedeutend: Zum einen impliziert das Urteil, dass von einer Beweislastumkehr zu Gunsten des Abmahnenden keine Rede sein kann. Dieser hat den Vollbeweis zu erbringen, dass der Beklagte die Verletzungshandlung begangen hat. Dem Beklagten kommt lediglich eine sekundäre Darlegungslast zu, d.h. er muss plausibel machen, warum im konkreten Fall auch Dritte als Täter in Frage kommen. Entgegen der Behauptungen vieler Abmahnanwälte muss der Beklagte aber nicht einen Alleintäter überführen und selbst einen Entlastungsbeweis führen. Zum anderen nimmt das Gericht den Abmahnanwälten das Argument, es gebe im Bereich der illegalen Downloads keine „einfach gelagerten Fälle“, insbesondere wenn nicht anstandslos bezahlt werde. Bei einem privat vorgenommenen Up- und Downloadvorgang („außerhalb des geschäftlichen Verkehrs“) liege – auch wenn es sich um ein ganzes Computerspiel handele – eine lediglich „unerhebliche Rechtsverletzung“ vor. Dem Urteil kommt deswegen Bedeutung zu, da es dem Abmahnenden zwischenzeitlich nicht mehr möglich ist, den Gerichtsstand frei zu wählen. Früher war ein deliktischer Gerichtsstand an jedem Ort gegeben, an dem sich die Verletzungshandlung ereignete, was bei Cyberkriminalität grds. an jedem Ort ist. Verbraucher sind demgegenüber nun an ihrem allgemeinen Gerichtsstand zu verklagen. Für Personen im Amtsgerichtsbezirk Böblingen ist die Entscheidung auch als Präjudiz für zukünftige Entscheidungen nicht unwichtig.
Sollten Sie eine Abmahnung erhalten haben, wenden Sie sich möglichst umgehend an unsere Rechtsanwälte. Wir können Sie zeitnah beraten und Wege aufzeigen, um überhöhten Abmahnforderungen aus dem Weg zu gehen.