Zur Zulässigkeit des vereinfachten Verfahrens über Kindesunterhalt
Das vereinfachte Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger ist unzulässig, wenn das Kind bei keinem Elternteil lebt und daher beide Eltern barunterhaltspflichtig sind.
OLG Stuttgart Beschluss vom 25.3.2014, 11 WF 50/14
Sachverhalt
Der Antragsteller machte als allein sorgeberechtigter Vater des Kindes M. gegenüber der Mutter Kindesunterhalt geltend. Das Kind M. lebt weder beim Antragsteller noch bei der Antragsgegnerin, sondern wird von der Großmutter betreut, die auch das Kindergeld erhält. Mit dem Antrag werden 100 % des Mindestunterhalts seit 01.09.2011 beantragt. Dieser Antrag wurde mit den entsprechenden Belehrungen an die Antragsgegnerin zugestellt. Die Erwiderung der Antragsgegnerin ging auf dem dafür vorgesehenen Formular ein, wobei die Antragsgegnerin ankreuzte, dass sie den verlangten Unterhalt ohne Gefährdung ihres eigenen Unterhalts nicht bezahlen könne. Der 3. Abschnitt dieses Formulars wurde nicht ausgefüllt.
Durch den angefochtenen Beschluss setzte das Familiengericht gegen die Antragsgegnerin laufenden Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts sowie rückständigen Unterhalt fest. Der Einwand der fehlenden Leistungsfähigkeit wurde mit der Begründung nicht berücksichtigt, dass im 3. Abschnitt des Formulars keine Eintragungen erfolgt seien, inwieweit und in welcher Höhe Bereitschaft zur Unterhaltszahlung bestehe.
Gegen diesen Beschluss legte die Antragsgegnerin Beschwerde ein. Die Beschwerde wird damit begründet, dass das vereinfachte Unterhaltsverfahren unzulässig sei, wenn, wie hier, beide Elternteile aufgrund der Betreuung des Kindes durch die Großmutter zum Barunterhalt verpflichtet seien. Zudem sei auch die Nichtberücksichtigung des Einwandes der fehlenden Leistungsfähigkeit fehlerhaft. Wenn die Antragsgegnerin ausdrücklich erklärt habe, dass sie „leider keinen Unterhalt bezahlen könne“, stelle es überhöhte Anforderungen dar, wenn die Einwände allein mit der Begründung zurückgewiesen würden, dass der dritte Abschnitt des Formulars nicht ausgefüllt worden sei. Zudem sei der Unterhaltsanspruch verwirkt, worauf auch in der Erwiderung des Antrags bereits hingewiesen worden sei. Das vereinfachte Unterhaltsverfahren ist unzulässig, wenn das Kind weder vom gegnerischen Elternteil noch vom antragstellenden Elternteil tatsächlich betreut wird und daher beide Elternteile gegenüber dem Kind barunterhaltspflichtig sind. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Rechtspflegerin den seitens der Antragsgegnerin erhobenen Einwand der fehlenden Leistungsfähigkeit und der Verwirkung hätte berücksichtigen müssen, nachdem der Antrag auf Festsetzung von Kindesunterhalt im vereinfachten Verfahren unzulässig ist.
Rechtlicher Hintergrund
Gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 9 FamFG muss der Antrag auf Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten Verfahren die Erklärung enthalten, dass das Kind nicht mit dem Antragsgegner in einem Haushalt lebt. Diese Erklärung muss deshalb abgegeben werden, weil nur bei einem fehlenden Zusammenleben feststeht, dass der in Anspruch genommene Elternteil grundsätzlich nach § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB zum Barunterhalt verpflichtet ist und keine tatsächlichen Betreuungsleistungen erbringt. In diesem Zusammenhang hat bereits das KG (FuR 2006, 132) entschieden, dass das vereinfachte Unterhaltsfestsetzungsverfahren auch dann unzulässig ist, wenn die Eltern innerhalb einer Wohnung getrennt leben. Dies beruht darauf, dass das vereinfachte Verfahren in diesen Fällen verfahrensspezifisch eine Abgrenzung zwischen Barunterhalt und in Betracht kommenden Naturalunterhaltsleistungen nicht ermöglicht und das vereinfachte Verfahren nicht mit schwierigen Rechts- und Tatsachenfragen für die Unterhaltsfestsetzung belastet werden soll. Mit Hilfe des vereinfachten Unterhaltsverfahrens soll der Unterhalt für Minderjährige Kinder möglichst kostengünstig und zeitnah geltend gemacht werden können. Es kommt daher grundsätzlich nur für einfach gelagerte Fälle in Betracht und insbesondere dann ungeeignet wenn die anteilige Haftung der Eltern gemäß § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen zu klären ist.
Aus ähnlichen Gründen wird das vereinfachte Unterhaltsverfahren auch für diejenigen Fälle für unzulässig erachtet, in denen die Eltern des Kindes ein Wechselmodell praktizieren. Eine vergleichbare Situation ist auch dann gegeben, wenn das Kind von keinem Elternteil betreut wird und daher grundsätzlich beide Elternteile barunterhaltspflichtig sind. Der in Anspruch genommene Elternteil müsste im Rahmen der strengen formalisierten Voraussetzungen des § 252 FamFG Einwendungen erheben, obwohl er die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des anderen Elternteils nicht kennt. Des Weiteren wird ihm die Möglichkeit genommen, die von ihm verlangten Erklärung, inwieweit er zur Unterhaltszahlung bereit sei und sich zur Erfüllung verpflichte, abzugeben, da er kaum die anteilige Unterhaltsverpflichtung errechnen und angeben können wird.
Fazit
Die in der Praxis an Bedeutung gewinnenden vereinfachten Unterhaltsverfahren sind zwar grundsätzlich eine geeignete Möglichkeit um zeitnah und kostengünstig einen vollstreckbaren Unterhaltstitel über den Unterhalt minderjähriger Kinder zu erlangen. Gleichwohl bleibt die Anwendung auf einfach gelagerte Fälle beschränkt.
In Unterhaltsverfahren sowie bei sonstigen familienrechtlichen Fragestellungen stehen Ihnen unsere Rechtsanwälte der Kanzlei Petermann & Kollegen in Böblingen jederzeit zur Seite.