Großeltern müssen bei Auswahl eines Vormunds in Betracht gezogen werden
Das BVerfG hat am 24.06.2014 entschieden, dass Großeltern, bei der Entscheidung über die Auswahl eines Vormunds oder Ergänzungspflegers in Betracht gezogen werden müssen, soweit eine engere familiäre Bindung zwischen ihnen und dem Enkelkind besteht.
Entscheidung vom 25.06.2014 1 BvR2926/13
Sachverhalt
Eine erste Enkeltochter der Großmutter kam 2001 zur Welt und wurde von der Mutter nach der Geburt in die Obhut der Großmutter gegeben. Im Jahr 2008 kam die zweite Enkeltochter zur Welt und lebte, zusammen mit der Mutter, zunächst im Haushalt der Großmutter. Im August 2011 zog die Mutter mit dem jüngeren Kind zu einem Freund. Im Wege der einstweiligen Anordnung entzog das Familiengericht der Mutter im Herbst 2011 die elterliche Sorge für beide Kinder und setzte zunächst das Jugendamt als Vormund ein. Im Dezember 2011 wechselte die jüngere Enkeltochter in eine Pflegefamilie, in der sie bis heute lebt. Im Hauptsacheverfahren entzog das Familiengericht der Mutter die elterliche Sorge für beide Töchter. Es bestellte die Großmutter zum Vormund für die ältere Tochter, für die jüngere Tochter hingegen das Jugendamt.
Die Entscheidung
Nach Auffassung des BVerfG schließt der Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG auch familiäre Bindungen zwischen nahen Verwandten ein, insbesondere zwischen Großeltern und ihrem Enkelkind. Soweit tatsächlich eine engere familiäre Bindung besteht, haben Großeltern daher ein Recht darauf, bei der Auswahl eines Vormunds für ihr Enkelkind in Betracht gezogen zu werden. Gegenüber nicht verwandten Personen kommt den Großeltern Vorrang zu, sofern nicht im Einzelfall konkrete Erkenntnisse darüber bestehen, dass dem Wohl des Kindes anderweitig besser gedient ist. Gleichwohl wurde die Großmutter durch die Entscheidungen der Vorinstanzen nicht in Ihren Grundrechten verletzt. Das Familiengericht ist nach Auffassung des BVerfG mit nachvollziehbaren Erwägungen zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kindeswohl bei einem Verbleib in der Pflegefamilie besser gedient sei als bei einem Wechsel zur Großmutter. Demnach wurde ein Verbleib bei der Großmutter in Betracht gezogen und aus konkreten Gründen im Einzelfall abgelehnt.
Rechtlicher Hintergrund
Großeltern steht aufgrund des Schutzes der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG ein Recht darauf zu, bei der Auswahl eines Vormunds oder Ergänzungspflegers in Betracht gezogen zu werden, wenn gleich diese sich nicht auf das Elterngrundrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) berufen können. Der Schutz dieses Grundrechts steht grundsätzlich nur den Eltern des Kindes zu. In Bezug auf die Großeltern sind die Grundrechte der Eltern und Kinder lediglich Rechtsreflexe, die keinen eigenen grundrechtlichen Schutz ihrer subjektiven Interessen begründen. Der Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG umfasst jedoch familiäre Bindungen zwischen Großeltern und ihrem Enkelkind. Art. 6 Abs. 1 GG schützt auch spezifisch familiärer Bindungen, wie sie auch über mehrere Generationen hinweg zwischen den Mitgliedern einer Großfamilie bestehen können. Der grundrechtliche Schutz familiärer Beziehungen zwischen nahen Verwandten umfasst deren Recht, bei der Entscheidung über die Auswahl eines Vormunds oder Ergänzungspflegers in Betracht gezogen zu werden, sofern tatsächlich eine engere familiäre Bindung zum Kind besteht.
Ausblick
In einer immer älter werdenden Gesellschaft wird der Betreuung der Enkelkinder in Fällen, in denen eine Betreuung durch die Eltern nicht mit den Interessen des Kindeswohls vereinbar sind, zunehmend an Bedeutung gewinnen. Sollten Sie in Sorgerechtsangelegenheiten oder sonstigen Bereichen des Rechts Beratung und Unterstützung benötigen, stehen Ihnen unsere Anwälte der Kanzlei Petermann in Böblingen gerne kompetent zur Seite.