BAG: Kürzung des Erholungsurlaubs wegen Elternzeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen
Mit Urteil vom 19.05.2015 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass der Arbeitgeber nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Kürzung des Erholungsurlaubs wegen vorausgegangener Elternzeit aussprechen kann. Der Arbeitnehmer kann folglich seinen Anspruch auf volle Urlaubsabgeltung geltend machen.
BAG , Urteil vom 19.05.2015, AZ 9 AZR 725/13
BAG Pressemitteilung Pressemitteilung Nr. 31/15
Der Sachverhalt
Die Klägerin war ab April 2007 gegen eine monatliche Bruttovergütung von zuletzt 2.000,00 Euro im Seniorenheim der Beklagten als Ergotherapeutin beschäftigt. Bei einer Fünftagewoche standen ihr im Kalenderjahr 36 Urlaubstage zu. Die Klägerin befand sich nach der Geburt ihres Sohnes im Dezember 2010 ab Mitte Februar 2011 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 15. Mai 2012 in Elternzeit. Mit Anwaltsschreiben vom 24. Mai 2012 verlangte sie von der Beklagten die Abrechnung und Abgeltung ihrer Urlaubsansprüche aus den Jahren 2010 bis 2012. Die Beklagte lehnte dies ab und erklärte im September 2012 und damit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Kürzung des Erholungsurlaubs der Klägerin wegen der Elternzeit.
Die Entscheidung
Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub wegen Elternzeit nicht mehr kürzen. Die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG, wonach der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen kann, setzt voraus, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub noch besteht. Daran fehlt es, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist und der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat. Die bisherige Rechtsprechung zur Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses beruhte auf der vom Senat vollständig aufgegebenen Surrogatstheorie. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats ist der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht mehr Surrogat des Urlaubsanspruchs, sondern ein reiner Geldanspruch. Dieser verdankt seine Entstehung zwar urlaubsrechtlichen Vorschriften. Ist der Abgeltungsanspruch entstanden, bildet er jedoch einen Teil des Vermögens des Arbeitnehmers und unterscheidet sich in rechtlicher Hinsicht nicht von anderen Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin das Urteil des ArbG abgeändert, die nachträgliche Kürzung des Erholungsurlaubs der Klägerin für unwirksam erachtet und dieser deshalb Urlaubsabgeltung in Höhe von 3.822 Euro brutto zugesprochen. Das BAG hat die dagegen eingelegte Revision der Beklagten zurückgewiesen. Die Beklagte habe nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 15.05.2012 mit ihrer Kürzungserklärung im September 2012 den Anspruch der Klägerin auf Erholungsurlaub wegen der Elternzeit nicht mehr verringern können. Auf die Beantwortung der vom LAG bejahten Frage, ob die in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG geregelte Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers mit dem Unionsrecht vereinbar ist, kam es laut BAG nicht an.
Fazit
Arbeitgebern ist es zwar weiterhin möglich, den Anspruch auf Erholungsurlaub wegen Elternzeit zu kürzen. Die Kürzung muss jedoch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen werden. Nachträglich kann der Arbeitgeber den bereits entstandenen Anspruch auf Abgeltung des nicht genommenen Erholungsurlaubs nicht mehr einschränken. Bei Streitigkeiten um die Abgeltung von Erholungsurlaub sowie sonstigen arbeitsrechtlichen Fragestellungen stehen Ihnen unsere Rechtsanwälte der Kanzlei Petermann & Partner mbB in Böblingen jederzeit zur Seite.