Anspruch auf eine behindertengerechte Bedienbarkeit von Rollläden?
AG München, Urteil vom 16.04.2013 – 433 C 2726/13
Sachverhalt
Die Klägerin ist seit dem 01.03.2003 Mieterin einer Erdgeschoss-Wohnung, welche sie gemeinsam mit Ihrem volljährigen Sohn bewohnt. Dieser ist schwerstbehindert und auf einen Elektro-Rollstuhl angewiesen. Er verfügt über eine verringerte Kraft im Oberkörper und kann beide Hände nur schwer koordinieren. Tagsüber hält er sich alleine in der Wohnung auf.
Zu Beginn des Mietverhältnisses war die Wohnung mit Rolläden ausgestattet, welche durch Gurte bedient werden konnte. Hierzu war auch der Sohn der Mieterin in der Lage.
Zum Jahreswechsel 2009/2010 wurden von der Vermieterin neue Fenster und Rollladensysteme eingebaut. Die neuen Rolläden sind mit einer Kurbel versehen, welche der Sohn der Mieterin – im Gegensatz zu den früher vorhandenen Gurten – nicht bedienen kann.
Die Mieterin verlangte von der Vermieterin, die Rollläden derart umzubauen, dass sie auch von dem schwerbehinderten Sohn bedient werden können. Aufgrund der Weigerung der Vermieterin erhob die Mieterin Klage vor dem Amtsgericht München.
Rechtlicher Hintergrund
Nach § 535 Abs. 1 BGB hat der Vermieter die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Wenn dies nicht der Fall ist, liegt ein „Mangel“ vor, der den Mieter nicht nur zur Mietminderung berechtigt, sondern dessen Beseitigung der Mieter vom Vermieter verlangen kann. Maßnahmen, die zur Instandhaltung oder Instandsetzung der Mietsache erforderlich sind, hat der Mieter gem. § 555a Abs. 1 BGB zu dulden. Sie sind rechtzeitig durch den Vermieter anzukündigen.
Modernisierungsmaßnahmen müssen mindestens 3 Monate vor ihrem Beginn angekündigt werden. Auch diesbezüglich besteht für den Mieter grundsätzlich eine Duldungspflicht, es sei denn, die die Modernisierungsmaßnahme würde für den Mieter, seine Familie oder einen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten, § 555d Abs. 1 und 2 BGB.
Modernisierungsmaßnahmen sind nach der gesetzlichen Definition des § 555b BGB bauliche Veränderungen des Vermieters, durch die in Bezug auf die Mietsache Endenergie nachhaltig eingespart wird (energetische Modernisierung), durch die nicht erneuerbare Primärenergie nachhaltig eingespart oder das Klima nachhaltig geschützt wird, durch die der Wasserverbrauch nachhaltig reduziert wird, durch die der Gebrauchswert der Mietsache nachhaltig erhöht oder die allgemeinen Wohnverhältnisse auf Dauer verbessert werden. Zudem liegt eine Modernisierung vor, wenn Baumaßnahmen aufgrund von Umständen durchgeführt werden, die der Vermieter nicht zu vertreten hat und die keine Erhaltungsmaßnahmen sind, sowie wenn neuer Wohnraum geschaffen wird.
Die Entscheidung
Das AG München hat die Klage der Mieterin abgewiesen. Das Urteil ist rechtskräftig.
Nach Ansicht des Gerichts steht der Mieterin kein Anspruch zu, dass das Rollladensystem durch die Vermieterin derart umgebaut werde, dass es durch den behinderte Sohn der Mieterin bedienen werden kann. Ein solcher Anspruch setzte einen „Mangel“ der Wohnung voraus, welcher nicht gegeben sei.
Im Mietvertrag sei keine besondere behindertengerechte Ausstattung der Mieträume vereinbart. Da die eingebauten Rollläden voll funktionsfähig seien, befinde sich die Wohnung in vertragsgerechtem Zustand.
Allein der Umstand, dass die Rollläden den besonderen Bedürfnissen des Sohnes nicht entsprechen, stelle keinen Mangel der Mietsache dar. Beim Austausch der Rollläden habe es sich lediglich um eine Instandhaltungsmaßnahme und nicht um eine Modernisierungsmaßnahme gehandelt. Erhaltungsmaßnahmen seien aber vom Mieter, soweit sie erforderlich sind, zu dulden. Hiervon wäre allenfalls dann abzuweichen, wenn die Vermieterin bewusst eine Ausstattung gewählt hätte, die der Sohn nicht bedienen kann. Dies wäre dann eine Schikane und würde gegen das Schikaneverbot der §§ 242, 226 BGB verstoßen. Dafür lägen in diesem Fall allerdings keinerlei Anhaltspunkte vor.
Die Mieterin wurde durch das Gericht darauf hingewiesen, dass sie von der Vermieterin die Zustimmung zu der von ihr selbst vorzunehmenden und zu zahlenden baulichen Veränderung, die für die behindertengerechte Nutzung der Mietsache erforderlich sei verlangen könnte, wenn sie ein berechtigtes Interesse daran nachweisen kann.
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