BGH: Keine Sperre des Mobilfunkvertrages bei Verzug mit Betrag von 15, 50 Euro
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch Urteil vom 17. Februar 2011 u.a. entschieden, dass eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Mobilfunkverträgen unwirksam ist, die eine Sperre des Mobilfunkvertrages beim Verzug mit einem Betrag von 15,50 Euro vorsieht, Aktenzeichen III ZR 35/10.
Sachverhalt
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände e. V. beanstandete u. a. drei Klauseln der von der Beklagten – einem Telekommunikationsunternehmen – in Verträgen mit Verbrauchern über Mobilfunkleistungen verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Zu den beanstandeten Klauseln gehören die folgenden im Revisionsverfahren noch streitgegenständlichen drei Klauseln:
"7.Nutzung durch Dritte
…
7.2 Der Kunde hat auch die Preise zu zahlen, die durch …. unbefugte Nutzung der überlassenen Leistungen durch Dritte entstanden sind, wenn und soweit er diese Nutzung zu vertreten hat.
7.3 Nach Verlust der … Karte hat der Kunde nur die Verbindungspreise zu zahlen, die bis zum Eingang der Meldung über den Verlust der Karte bei … angefallen sind. Das gleiche gilt für Preise über Dienste, zu denen … den Zugang vermittelt.
7.4
…
11.Verzug
…
11.2 Ist der Kunde mit Zahlungsverpflichtungen in Höhe von mindestens 15,50 € in Verzug, kann … den Mobilfunkanschluss auf Kosten des Kunden sperren."
Rechtlicher Hintergrund: Allgemeines Zivilrecht und Telekommunikationsrecht
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung der Verwendung dieser Klauseln verurteilt. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens bezüglich der Nr. 7.2 und 7.3 abgewiesen. Die weitergehende Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision haben der Kläger sein Unterlassungsbegehren bezüglich der Klauseln Nr. 7.2 und 7.3 und die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag hinsichtlich der Klausel Nr. 11.2 weiter verfolgt. Beide Revisionen sind erfolglos geblieben.
Die Revision des Klägers war nach Auffassung des Bundesgerichtshofs unbegründet, weil die Klauseln Nr. 7.2. und 7.3. der von der Beklagten verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Inhaltskontrolle standhalten. Er hat sie als Vergütungsregelungen angesehen und hiervon ausgehend keine unangemessene Benachteiligung der Kunden der Beklagten festgestellt. Bei der Erbringung von Mobilfunkdienstleistungen handelt es sich um ein praktisch vollständig technisiertes, anonymes Massengeschäft. Die Beklagte nimmt von der konkreten Person des die Mobilfunkdienstleistung Abrufenden keine Kenntnis. Sie kann deshalb nicht beurteilen, ob das Abrufen der Mobilfunkdienstleistung mit Billigung des Kunden erfolgt. Sie muss sich darauf verlassen können, dass dieser beim Gebrauch seines Mobiltelefons die erforderlichen Vorkehrungen trifft, damit Unbefugte keinen Zugriff auf Mobilfunkdienstleistungen erhalten. Vom Mobilfunkkunden zu verlangen, nach seinen Möglichkeiten eine unbefugte Nutzung Dritter zu unterbinden, benachteiligt diesen nicht unangemessen. Eine andere Frage ist, wie die Sorgfaltspflichten, die dem Kunden in seiner Risikosphäre obliegen, im Einzelnen beschaffen sind. Den besonderen Gefährdungen, etwa hinsichtlich des Verlusts der SIM-Karte, gegebenenfalls einschließlich des Mobiltelefons, die sich gerade aus dem Umstand ergeben, dass die Mobilfunkdienstleistung an jedem Ort und damit auch außerhalb der geschützten Sphäre der Wohnung des Anschlussinhabers zur Verfügung steht, kann dadurch Rechnung getragen werden, dass die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten des Kunden nicht überspannt werden. Dies stellt jedoch die Wirksamkeit der hier fraglichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen unter dem Blickwinkel einer unangemessenen Benachteiligung der Kunden des Beklagten nicht in Frage.
Der Klausel Nr. 7.3. hat der Bundesgerichtshof nur eine zeitliche Begrenzung der vom Kunden zu zahlenden Entgelte im Fall des Verlustes der SiM-Karte entnommen, was diesen deshalb nicht benachteiligt, sondern seine Zahlungspflichten begrenzt.
Die Revision des Beklagten hat der Bundesgerichtshof zurückgewiesen, weil die Klausel Nr. 11.2 einer Inhaltskontrolle nicht stand hält und sie nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist. Sie benachteiligt die jeweiligen Mobilfunkkunden der Beklagten entgegen Treu und Glauben unangemessen. Die Sperre des Mobilfunkanschlusses stellt der Sache nach die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts dar. Insbesondere von § 320 Abs. 2 BGB weicht die Klausel Nr. 11.2. zum Nachteil des Kunden ab. Ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der noch zu erbringenden Mobilfunkdienstleistungen steht der Beklagten danach nicht zu, wenn nur ein verhältnismäßig geringfügiger Teil der Gegenleistung noch offen steht. Dies kann bei einem Verzug mit einem Betrag von 15,50 Euro, der nach der Klausel die Sperre rechtfertigt, nicht ausgeschlossen werden. Dabei hat der Senat insbesondere in Betrachtung gezogen, dass der Gesetzgeber in § 45k Abs. 2 Satz 1 TKG für die Telefondienstleistungsunternehmen im Festnetzbereich als Voraussetzung für eine Sperre den Betrag von 75 € festgelegt hat. Der Bundesgerichtshof hat diese gesetzgeberische Wertung im Rahmen der Kontrolle der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Verträge über Mobilfunkdienstleistungen für übertragbar gehalten.
Ausblick
Die sog. AGB-Kontrolle durch die Rechtsprechung zeigt Telekommunikationsunternehmen die Grenzen für die formularmäßige Vereinbarung der Sperre eines Mobilfunkanschlusses auf. Ausweislich der Urteilsbegründung kann davon ausgegangen werden, dass entsprechend der vom Gesetzgeber für den Festnetzbereich getroffenen Regelung eine in AGB vereinbarte Sperre ab einem Betrag von 75 Euro der Inhaltskontrolle standhält. Mobilfunkunternehmen tun gut daran, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen gerade vor dem Hintergrund der ganz aktuellen Rechtsprechung regelmäßig überprüfen zu lassen, um eine Unwirksamkeit der Klauseln, und damit das Eingreifen der vom Gesetzgeber vorgesehenen Regelung, zu verhüten. Verbraucher, die in ihrem Mobilfunkvertrag die Vertragssperre bei einem Betrag unter 75 Euro vereinbart haben, sollten im Zweifelsfall ihren Vertrag von einem schwerpunktmäßig im Verbraucherschutzrecht tätigen Rechtsanwalt auf unwirksame Klauseln untersuchen lassen. Wenn Sie Fragen haben, zögern Sie nicht, uns anzusprechen. Wir sind für Sie da!