BGH: Keine Belastung des Verbrauchers mit den Kosten für die Hinsendung der Ware bei einem Fernabsatzgeschäft
Der Bundesgerichtshof hat am 07. Juli 2010 entschieden, dass ein Verkäufer von Waren im Fernabsatzgeschäft einen Verbraucher nicht mit den Versandkosten für die Hinsendung der Ware an den Verbraucher belasten darf, wenn dieser von seinem Widerrufs- oder Rückgaberecht Gebrauch macht, Entscheidung des VIII Zivilrechtssenats, Aktenzeichen VIII ZR 268/07.
Sachverhalt
Der Kläger ist ein Verbraucherverband. Die Beklagte betreibt ein Versandhandelsunternehmen. Sie stellt ihren Kunden für die Zusendung der Ware einen Versandkostenanteil von pauschal 4,95 € pro Bestellung in Rechnung. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Erhebung solcher Kosten nach Ausübung des Widerrufs- oder Rückgaberechts bei Fernabsatzgeschäften in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen.
EuGH: Kosten der Zusendung dürfen im Falle des Widerrufs nicht dem Verbraucher auferlegt werden
Die Revision des Versandhandelsunternehmens hatte keinen Erfolg. Der VIII. Zivilsenat des BGH hatte das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (Fernabsatz-Richtlinie) dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Kosten der Zusendung der Waren auch dann dem Verbraucher auferlegt werden können, wenn er den Vertrag widerrufen hat (Beschluss vom 1. Oktober 2008, Pressemitteilung Nr. 184/2008). Dies hat der EuGH bejaht und zur Begründung ausgeführt, dass mit Artikel 6 der Fernabsatz-Richtlinie eindeutig das Ziel verfolgt wird, den Verbraucher nicht von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten. Deshalb liefe eine Auslegung, nach der es den Mitgliedstaaten der Europäischen Union erlaubt wäre, eine Regelung vorzusehen, die dem Verbraucher im Fall eines solchen Widerrufs die Kosten der Zusendung in Rechnung stellt, diesem Ziel zuwider (EuGH, Urteil vom 15. April 2010 – Rs. C-511/08, NJW 2010, 1941).
BGH: Geleistete Hinsendekosten sind dem Verbraucher zurückzugewähren
Aufgrund dieser für die nationalen Gerichte bindenden Auslegung der Fernabsatz-Richtlinie durch den EuGH ist § 346 Abs. 1 BGB in Verbindung mit §§ 312d, 357 BGB richtlinienkonform dahin auszulegen, dass dem Verbraucher nach dem Widerruf eines Fernabsatzvertrages ein Anspruch auf Rückgewähr geleisteter Hinsendekosten zusteht. Dementsprechend ist es Verkäufern von Waren im Fernabsatzgeschäft – wie der Beklagten im entschiedenen Fall – verwehrt, Verbrauchern die Kosten für die Hinsendung der von ihr vertriebenen Waren auch dann aufzuerlegen, wenn diese von ihrem Widerrufs- oder Rückgaberecht Gebrauch machen.
Ausblick
Die einige Jahre andauernde Kontroverse um das Bestehen einer Verpflichtung des Unternehmers, bei einem Fernabsatzgeschäft die vom Verbraucher bereits geleisteten Kosten der Hinsendung der Ware zu erstatten ist von der Rechtsprechung im Sinne des Verbraucherschutzes entschieden worden. Der Verbraucher kann sich auf das Bestehen eines Anspruchs gegen den Unternehmer auf Rückzahlung der Versandkosten verlassen, die bereits geleisteten Kosten der Hinsendung der Ware sind dem Verbraucher vom Unternehmer zu erstatten.