Zur Anerkennung einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis
In den vergangenen Jahren war die Anerkennung ausländischer Fahrerlaubnisse anderer EU-Mitgliedsstaaten Gegenstand mehrerer obergerichtlicher Verfahren. Nunmehr hatte die 36. kleine Strafkammer des LG Stuttgart mit einem solchen Fall im Rahmen eines Verfahrens wegen des Verdachts des Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu tun. Hierbei schärfte das Gericht den Blick für die Darlegung des „fehlenden Wohnsitzes“.
Sachverhalt
Dem Angeklagten wurde zur Last gelegt am öffentlichen Straßenverkehr in Deutschland teilgenommen zu haben, obwohl ihm die dazu erforderliche Fahrerlaubnis fehlte. Er habe am 17.02.2010 auf seine deutsche Fahrerlaubnis verzichtet, um der Entziehung zu entgehen. Er habe seit 2008 ununterbrochen in Deutschland seinen Wohnsitz gehabt, sodass ihn sein am 10.08.2011 ausgestellter polnischer Führerschein nicht zur Teilnahme am Straßenverkehr berechtigt habe, was ihm bewusst gewesen sei.
Das Amtsgericht Ludwigsburg hatte daraufhin eine Verurteilung vorgenommen. In der Berufungsinstanz hob das Landgericht Stuttgart mit Urteil vom 08.10.2013 (Az: 36 Ns 65 Js 89437/11) die Entscheidung auf und sprach den Angeklagten auch Rechtsgründen frei.
Rechtliche Würdigung
Das Berufungsgericht geht davon aus, dass der Angeklagte auf Grund seiner polnischen Fahrerlaubnis berechtigt war, am Straßenverkehr teilzunehmen. Nach § 28 FeV i.V.m. Art. 2 Richtlinie EG/126/2006 (3. Führerscheinrichtlinie) ist die Bundesrepublik Deutschland zur Anerkennung der Fahrerlaubnisse anderer europäischer Mitgliedsstaaten verpflichtet. Die Fahrerlaubnis darf demnach zwar nur bei Vorliegen gewisser Mindestvoraussetzungen erteilt werden, wozu ein ständiger Wohnsitz im ausstellenden Mitgliedsstaat zählt, jedoch obliegt die Prüfung dieser Voraussetzung allein dem Ausstellermitgliedsstaat (vgl. EuGH NJW 2008, 2403; Rebler, NZV 2012, 516).
Der Aufnahmemitgliedsstaat (hier: die Bundesrepublik Deutschland) ist jedoch ausnahmsweise berechtigt, die Anerkennung zu verweigern, wenn sich die Nichteinhaltung der Wohnsitzvoraussetzung aus dem Dokument selbst oder aus einer anderen „vom Mitgliedsstaat herrührenden, unbestreitbaren Information“ heraus feststeht. Dies war im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Eindeutige Aussage des Ausstellerstaates erforderlich
Die Stadt Stettin hatte mitgeteilt, der Angeklagte sei vom 24.06.-31.12.2011 in der Stadt gemeldet gewesen. Die Polizei habe ermittelt, dass in der Wohnung aktuell nur die „Vermieterin“ wohne, die Nachbarn ferner angegeben hätten, nie einen jungen Mann deutscher Nationalität dort gesehen zu haben. Diese Informationen seien nicht als „unbestreitbar“ einzustufen. Nach Ansicht des Berufungsgerichts stelle die Übersendung keine definitive Aussage, die sich der polnische Staat zu eigen mache. Das Merkmal „vom Ausstellermitgliedsstaat herrührend“ sei keiner erweiternden Auslegung zugänglich (vgl. EuGH NJW 2010, 217).
Das LG Stuttgart fügt an, dass der Fall möglicherweise erst dann anders läge, wenn eine Behörde des Ausstellerstaates auf Grundlage eigener Ermittlungen einen fehlenden Wohnsitz feststelle und dies an die deutschen Behörden übermittle. Da dies nicht der Fall sei, sei der Angeklagte berechtigt gewesen mit seiner polnischen Fahrerlaubnis am deutschen Straßenverkehr teilzunehmen, sodass das Urteil des Amtsgerichts aufzuheben war.
Fazit
Das Urteil macht noch einmal deutlich, dass eine Fahrerlaubnis eines anderen EU-Mitgliedsstaates nur unter den vom EuGH herausgearbeiteten Ausnahmetatbeständen, die abschließend seien, nicht anerkannt werden darf. Der ausstellende Mitgliedsstaat hat damit alleine das Recht, die Erteilungsvoraussetzungen zu prüfen.
Wer daher eine ausländische Fahrerlaubnis beantragen möchte, ggf. zur Umgehung von inländischen Voraussetzungen wie der MPU, sollte selbstredend weiter auf die Voraussetzung eines Wohnsitzes im ausstellenden Mitgliedsstaat achten. Sollte es anschließend jedoch zu einer Verweigerung der Anerkennung kommen, sollte diese genau hinterfragt werden. Grundsätzlich darf sich der Inhaber auf eine ausländische Fahrerlaubnis verlassen, es sei denn die Voraussetzungen sind „unbestreitbar“ nicht gegeben.
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